Das Bundesgericht hat die Wahl des Schaffhauser Ständerats Simon Stocker per sofort aufgehoben. Der politische Wohnsitz des SP-Politikers war gemäss dem Urteil am Wahltag nicht im Kanton Schaffhausen, sondern in der Stadt Zürich.
Das Bundesgericht hat eine entsprechende Beschwerde gegen einen Entscheid des Obergerichts gutgeheissen, wie aus dem am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht. Der Schaffhauser Regierungsrat und das Obergericht hatten die Beschwerde zuvor abgelehnt.
Das oberste Gericht kam zum Schluss, dass sich Stockers Lebensmittelpunkt und somit auch sein politischer Wohnsitz zum Zeitpunkt der Wahl in der Stadt Zürich befand. Zwar war Stocker demnach bereits in der Stadt Schaffhausen angemeldet und hatte dort eine Wohnung gemietet. Gelebt und gearbeitet habe er aber in erster Linie in Zürich, wo auch der Wohnsitz seiner Frau und seines Kindes war.
Die kantonale Verfassung setzt für die Wahl in den Ständerat einen Wohnsitz in Schaffhausen voraus. Der Wohnsitz einer Person liegt dort, wo sich ihr Lebensmittelpunkt befindet.
Stockers Wahl zum Ständerat wird «aus Verhältnismässigkeits-, Rechtssicherheits-, und Vertrauensüberlegungen» erst mit Wirkung ab dem Urteil des Bundesgerichts aberkannt, wie es weiter hiess.
Weder das Bundesgericht noch die Vorinstanzen hätten der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt. Die Entscheide, an welchen Stocker im Amt als Ständerat mitgewirkt habe, würden somit weder nichtig noch anfechtbar.
Das ist noch offen: Der Schaffhauser Regierungsrat muss nun eine Neuwahl ansetzen. Entgegen des Antrags des Beschwerdeführers rückt Thomas Minder (parteilos), der die zweitmeisten Stimmen erzielte, nicht automatisch nach. Mangels kantonaler Gesetzgebung im konkreten Fall gelte der Grundsatz, wonach für ausscheidende Mitglieder normalerweise Nachwahlen durchgeführt werden.
Simon Stocker hatte sich bei den Wahlen im Herbst 2023 im zweiten Wahlgang überraschend gegen den früheren Ständerat Thomas Minder durchgesetzt. Gegen den Wahlentscheid erhoben zwei Personen Stimmrechtsbeschwerde, darunter der aktuelle Beschwerdeführer. Letzterer verfasste im Wahlkampf mehrere Leserbriefe zugunsten von Minder.
Die Neuwahl für den Ständeratssitz findet am 29. Juni statt. Die Ansetzung der Wahl am 29. Juni ermögliche die Teilnahme des neu gewählten Mitglieds des Ständerates in der am 8. September beginnenden Herbstsession, heisst es in der Medienmitteilung. Somit werde der zweite Schaffhauser Ständeratssitz nur in der Sommersession 2025 vakant sein. Ein allfälliger zweiter Wahlgang würde am 24. August 2025 durchgeführt.
Stocker meldete sich kurz nach der Verkündung des Urteils in einem Statement in den sozialen Medien zu Wort. Der 43-Jährige stellt darin klar, den Entscheid zu akzeptieren, spricht aber dennoch von einem schwierigen Tag. So führt er aus:
Gleichzeitig kündigte Stocker an, bei den Neuwahlen erneut antreten zu wollen. «Ich bin überzeugt, dass es mir zusammen mit euch allen erneut gelingen wird, diesen Sitz zu erobern», schreibt er.
Der Waadtländer Nationalrat Samuel Bendahan, Co-Chef der SP-Bundeshausfraktion, ist zuversichtlich, dass der Schaffhauser SP-Ständerat Simon Stocker nach der Annullierung eine erneute Wahl schaffen wird. Stocker kündigte bereits an, wieder anzutreten.
Die Gesetze seien einzuhalten, sagte Bendahan am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zum Entscheid des Bundesgerichts. Auch wenn das massgebende Gesetz auf überholten Familienorganisationen basiere. Das sei enttäuschend und traurig.
Geht es um die erneute Wahl von Stocker, zeigte sich Bendahan zuversichtlich. Der Schaffhauser habe im Herbst 2023 die Wahl dank einer breiten Koalition gewonnen und habe im Rat Kompetenz und Engagement für das Land und für seinen Kanton bewiesen.
Für den Beschwerdeführer ist der Bundesgerichtsentscheid zum «Fall Stocker» eine «späte Genugtuung». Laut seinem Anwalt stellten die Lausanner Richter klar fest, dass der Schaffhauser SP-Ständerat Simon Stocker am Tag der Wahl seinen Wohnsitz in Zürich hatte.
Es sei aber «inakzeptabel», dass es ein Jahr dauerte, bis die Wahl aufgehoben wurde, teilte der Anwalt am Mittwoch mit.
Das Bundesgericht habe festgestellt, dass die politischen Rechte zwingend am zivilrechtlichen Wohnsitz wahrgenommen werden müssen, schreibt er weiter. «Gefälligkeitsanmeldungen» bei der Einwohnerkontrolle zur Wahrnehmung politischer Ämter würde damit «ein Riegel geschoben».
(dab/sda)
Persönlich kann ich mir gut vorstellen, dass er sich nie erhofft hatte, die Wahl gewinnen zu können und daher nur seinen Wohnsitz verlegt hat. Als Vater einer jungen Familie ist es klar, dass er oft bei der Familie ist. Als geborener und aufgewachsener Schaffhauser verbindet ihn mehr mit der Stadt als jemanden, der in Neuchâtel zur Schule ging und in New York studierte.
Aber dass ist meine Meinung.